Hintergründe weiterer Heldensagen
Das Kudrunepos
Auf Grund angelsächsischer und nordischer Quellen können die historischen Hintergründe und die Einordnung der Kudrunsage weitestgehend bestimmt werden. Hierbei kann zunächst von zwei Sagenkreisen ausgegangen werden.
Der erste Sagenkreis ist die Geatensage. Diese ist uns vor allem im Beowulf, aber auch in der Heimskringla des Snorri Sturlason und in der Dänengeschichte des Saxo Grammaticus überliefert. Namen und Motive der Sage weisen eindeutige Parallelen zur Kudrunsage auf. Ob mit den Geaten die Gauten oder die Jüten gemeint sind, ist noch nicht geklärt. Da der Hygelac des Beowulf, der wohl auch mit dem Namen der Hegelingen in Verbindung steht, mit dem historischen Chlochilaich in Verbindung gebracht werden kann, stammen Teile der ersten historischen Hintergründe aus dem 6.Jh..
Der zweite große Sagenkreis entstammt der Angelnsage, wobei diese zu großen Teilen bei Saxo überliefert ist. Der Kampf Wigos gegen Athisl kann mit dem Kampf Herwigs gegen Hetel in Verbindung gebracht werden. Ortwin (der im Alexanderepos Wolfwin genannt wird) kann mit Offa in Verbindung gebracht werden. Der Name Kudrun ist wahrscheinlich von Cvendrida (wie sie in der Vita Offae genannt wird), der Frau Offas, abgeleitet.
Des Weiteren könnte die Finnsburgsage, welche ihre historischen Hintergründe wohl in der Eroberung Englands durch die Angelsachsen im 5. und 6. Jh. besitzt, Einfluss auf die Kudrunsage genommen haben.
Im Kudrunepos sind weiterhin eindeutig Spuren des norwegisch-irisch-schottischen Wikingerreiches zu finden, zu dem auch die Städte Dublin und York gehörten. 926 heiratete der Wikingerkönig Sigtryggr von York die Schwester des angelsächsischen Königs Aethelstan. Die Kudrunsage dürfte daher über die Angelsachsen nach Deutschland gelangt sein.
Die Harlungensage
Lange gab den Germanisten die Harlungensage aus der Dietrichsage Rätsel auf. Namen und Motive der Sage können jedoch zum Großteil mit dem Untergang des Rugierreiches 487 in Verbindung gebracht werden. Theoderich war mit dem rugischen Königshaus verwandt. Sowohl aus Ennodius wie auch aus Johannes von Antiochia erfahren wir, dass Theoderich die Ermordung Odoakers als Blutrache für den Tod seiner Verwandten rechtfertigte.
Aber auch die Hinrichtung des Herulerkönigs Sindual durch Erhängen auf Betreiben des Narses um 566 scheint Einfluss auf die Sage genommen zu haben.
Die Wielandsage
Die Wielandsage scheint vor allem zwei historische Hintergründe zu besitzen. Einerseits die bereits bekannten Geschehnisse im Rugierreich, als zwei gefangene Schmiede den rugischen Königssohn Friedrich als Geisel nahmen, um ihre Freiheit zu erzwingen.
Der zweite historische Hintergrund sind die Geschehnisse des Ostgotenreiches unter den nachamalischen Königen (ab Hildebad) bis zu seinem Untergang. Dabei scheint Aligern, der nach Agathias als gefürchteter Bogenschütze von sich reden machte, der Schlüssel zu sein. Aligern war nach Agathias der Bruder des letzten Ostgotenkönigs Teja, nach Procop der Bruder des Ostgotenkönigs Totila (Badwila). Teja fand seinen Tod in der Schlacht gegen Narses nahe des Vesuvs, in welchem nach der antiken Mythologie der lahme Gott Vulcanus sich aufhalten soll. Aligern scheint daher Einfluss auf die Egilgestalt, Teja und Badwila auf Wieland und Narses auf Nidud ausgeübt zu haben.
Da die Rugier mit den Ostgoten ein Bündnis nach Zerstörung ihres Reiches eingegangen waren, beinhaltet die Wielandsage wohl die rugischen Sagenüberlieferungen.
Die Eckensage
Bisher nahm man an, dass die Eckensage zu den Sprosssagen der Dietrichepik zählt. Motive und Namen deuten jedoch auf einen Zusammenhang zu den Auseinandersetzungen der Ostgoten mit den Skiren hin. 468 fiel Walamir, Theoderichs Onkel, gegen die verbündeten Stämme, welche von den Skiren unter den Brüdern Edeco und Hunwulf geführt wurden. In einer zweiten Schlacht am Fluss Bolia 469 erlitten die Verbündeten eine vernichtende Niederlage gegen die Ostgoten unter Führung Thiudimirs. Edeco und Hunwulf fielen wohl in der Schlacht. Der Rugierkönig Flaccitheus und später sein Sohn Feletheus wurden nach der Schlacht Verbündete der Ostgoten. Edeco deutet auf Ecke hin und Flaccitheus bzw. Feletheus auf Fasold.
Die Rothersage
In der Rothersage hat sich langobardisches Sagengut erhalten. Der berühmte Langobardenkönig Rothari wurde 636 zum König der Langobarden gewählt. 661/662 fiel der oströmische Kaiser Constans, der sich Constantin nannte, in Italien ein und es kam zu Kämpfen zwischen dem Langobardenkönig Grimuald und dessen Sohn Romuald. Die genauen Zusammenhänge und Ereignisse können in meinem Buch nachgelesen werden. |